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Turkei aktuell Januar 2016 A4

TÜRKEI AKTUELL JANUAR 2016 2 zu kriminalisieren, wenn möglich ihr die Legitimität abzuspre- chen. Um nur einige Bespiele zu erwähnen: Der Co-Bürgermeis- ter von Van, Bekir Kaya, wurde zu einer Haftstrafe von 15 Jahren verurteilt. 13 weitere Angeklagte, mehrheitlich Funktionäre der inzwischen aufgelösten pro-kurdischen Partei für Frieden und Demokratie (BDP), müssen zwischen sieben und 15 Jahren ins Gefängnis. Seit August 2015 (nach dem Abbruch des Dialogpro- zesses) findet eine weitere Repressionswelle gegen Kommunal- politiker der Partei der demokratischen Regionen (DBP), der Nachfolgerin der BDP, statt. Seitdem wurden zehn Bürgermeister und 11 Co-Bürgermeister sowie 44 Stadtratsmitglieder inhaftiert. Acht weitere Bürgermeister wurden auf Weisung der Regierung ihres Postens enthoben. Ermittelt wird auch gegen die Vorsitzenden der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Selahattin Demirtas und Figen Yüksedag! Um es zusammenzufassen: Es gibt in der Türkei kein Demokratie- defizit, weil es die kurdische nationale Frage gibt, sondern die kurdische Frage gibt es, weil es keine Demokratie in diesem Nato-Mitgliedsland existiert. Nach dieser Hinsicht betrachtet, stellt die kurdische nationale Bewegung zu Zeit die organisier- teste demokratische Kraft der allgemeinen Demokratiebewegung des Landes dar. Dass das undemokratische de facto Regime heute vor allem diesen Teil der Demokratiebewegung zerschla- gen will, hat nicht nur innenpolitische Aspekte. Es stellt keinen Zufall dar, dass das de facto Regime in der Türkei ein aktiver Un- terstützer von religiös fanatischen Kräften im Nahen Osten (allen voran IS!) ist und dass dem gegenüber die kurdische nationale Bewegung in den anderen Ländern der Region vielleicht den dy- namischsten Teil der fortschrittlichen Kräfte darstellt. So sehen wir, dass just in dem kapitalistisch am entwickeltesten Land der Region – der Türkei – ein Kampf um Demokratie geführt wird, deren Ausgang auch für die Zukunft des Nahen Ostens nicht belanglos sein wird. Und was macht die Bundesregierung? Sie verschließt ihre Augen vor dem grausamen Krieg des türki- schen Staates gegen die kurdische Zivilbevölkerung. Mehr noch, sie leistet aktive mithilfe, in dem die Frau Merkel kurz vor den Wahlen Erdogan besucht,  in dem sie sich dafür stark macht, daß die Beitrittsverhandlungen zur EU wieder aufgenommen werden, in dem sie die Türkei militärisch und finanziell unterstützt und kurdische AktivistInnen im eigenen Land inhaftiert. Deutsche Soldaten werden in der Türkei stationiert, um im Sy- rien-Krieg eingesetzt zu werden, nun  folgen NATO- AWACS- Flug- zeuge mit deutscher Besatzung. Die bereitwillige Unterstützung der Türkei basiert nicht zuletzt darauf, daß die Türkei Kriegsflücht- linge von Europa fernhalten soll. In dem im November unterzeich- neten Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei (Aktionsplan) bietet die EU 3 Milliarden Euro an, wenn die Türkei den Flüchtlingsstrom begrenzt und die Versorgung der Flücht- linge in der Türkei verbessert. Es besteht kein Interesse daran zu schauen, wie die Türkei das macht.  Amnesty International beschuldigt die Türkei, Flüchtlinge zu miss- handeln. In ihrem Bericht "Europe's Gatekeeper", wird geschil- dert, daß türkische Sicherheitskräfte Flüchtlinge und Asylsuchende aufgreifen, in Busse stecken und in über 1000 km entfernte Erzurum oder Düzici bringen würden, wo sie bis zu zwei Monaten in Isolationshaft festgehalten werden. Erdogan hat erklärt, die militärischen Operationen würden so- lange weitergehen, bis die, die sich gegen die Staatssicherheits- kräfte stellen mit ihren Barrikaden "gesäubert" seien: "Ihr werdet in den Häusern, Gebäuden und den Gräben, die ihr gegraben habt, vernichtet werden", so Erdogan. "Unsere Sicherheitskräfte werden den Kampf so lange fortsetzen, bis alles vollkommen ge- säubert und eine friedliche Atmosphäre geschaffen ist." Das sind Worte des verlässlichen Partners Deutschland. Das ist der Präsident eines "sicheren Landes". Ungeachtet dieser ver- heerenden Situation, gehen die Verhandlungen um einen EU-Bei- tritt weiter. EU-Kommissar Oettinger (CDU) fordert gar, die Verhandlungen schneller voranzutreiben. Verzehrte Bilder und Berichte In den meisten Medien hier werden die Entwicklungen verzehrt dargestellt. Die Menschen kriegen den Eindruck, dass es sich um Kämpfe zwischen der PKK und dem Militär handelt. Das ist falsch und verdreht die Tatsachen. Der türkische Staat führt gegen das kurdische Volk einen brutalen Feldzug. Auch wenn die PKK wegen den massiven militärischen Angriffen der türkischen Streitkräfte den Waffenstillstand  aufgehoben hat, hält sie sich dennoch zurück und ist immer noch nicht in die direkte und of- fensive bewaffnete Auseinandersetzung mit den türkischen Mili- tär übergegangen. Wenn es dazu kommt, werden die Folgen verheerende als bisher sein. Berichterstattungen und Bilder haben Auswirkungen darauf, was für eine Meinung sich die Menschen dazu bilden und wie sie sich zu den Sachverhalten, die gezeigt werden verhalten. Eine ver- kürzte und zugespitzte Darstellung der Entwicklungen in der Tür- kei, kann dazu führen, daß das kurdische Volk allein gelassen wird. Es führt dazu, daß die Menschen in Deutschland die Verant- wortung der deutschen Regierung in diesem "Krieg" nicht erken- nen. Somit ist die Solidarität, bis auf organisierte Kräfte zusammengeschrumpft. Solidarität muss konkret werden Heute ist es wichtig die richtigen Zusammenhänge zwischen der allgemeinen Situation in den Nahen Osten und der kurdischen Frage herzustellen. Es ist ebenso wichtig, die Rolle und Verant- wortung Deutschlands in diesem Konflikt deutlich aufzuzeigen und vor allem muss die Solidarität wachsen. Wenn das kurdische Volk und die demokratisch-fortschrittlichen Kräfte der Türkei nicht jetzt konkrete Solidarität erfährt, ist es wertlos die Leiden und schrecklichen Entwicklungen zu kommentieren. Einerseits den Druck auf die türkische Regierung, durch Protestaktionen, gemeinsame Protesterklärungen und versenden von Delegatio- nen, erhöhen. Andererseits die deutsche Politik ins Visier nehmen und fordern daß, Deutschland jegliche politische und finanzielle Hilfe diesem undemokratischen Regime in der Türkei stoppen muss; Waffenverkäufe und militärische und geheimdienstliche Unterstützung unterbinden soll; und dass auch die EU diesen Re- gime nicht weiterhin politisch legitimieren darf... Düzgün Altun TÜRKEI AKTUELL JANUAR 20162

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