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Turkei aktuell Januar 2016 A4

In den folgenden Seiten dieser Ausgabe, können sich unsere Leser und Leserinnen über die aktuelle Lage in der Türkei, insbesondere in den kurdischen Gebieten informieren. Die allgemeinen Repres- salien der türkischen Regierung gegen die kurdische Bevölkerung und allen oppositionellen Kräften, sind der Öffentlichkeit in Deutschland sicherlich nicht völlig unbekannt. Doch das offen- sichtliche Missverhältnis zwischen den Ausmaßen der Gräueltaten in der Türkei und der doch relativ schwachen demokratischen und humanen Empörung darüber in den europäischen Ländern, lassen ernsthafte Zweifel darüber aufkommen, ob die Öffentlichkeit hier wirklich im Bilde ist, was in diesem Nato Mitgliedsland und Bei- trittskandidat der EU abgeht. Neue Dimensionen der Unterdrückung und blutiger Repressionen Die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts bildeten in der jüngsten Geschichte der Türkei den Gipfel an staatlicher Repres- sion und Unterdrückung. Die Türkei der neunziger Jahre war ein Land, in dem die Armee einen grausamen und blutigen Krieg in Türkei-Kurdistan führte. Es war ein Land, wo Tausende Dörfer aus- gelöscht, Zehntausende Menschen umgebracht wurden. Ein Land, in dem Menschen von paramilitärischen Sondereinheiten von Zu- hause, von der Arbeit oder auf der Straße abgefangen oder abge- holt wurden und für immer verschwanden. Und heute? Die heutige Türkei, steht in dieser Hinsicht den bluti- gen neunziger Jahren in nichts mehr nach. Ja mehr noch; die Überlebenden der neunziger Jahre berichten, dass es sogar noch schlimmer sei als damals! In fast allen großen Städten in den kurdischen Gebieten der Türkei wurde wochenlang der Ausnahmezustand ausgerufen, ganze Stadtviertel militärisch abgeriegelt, mit Panzern beschossen, Zivi- listen werden täglich von Scharfschützen ermordet, dabei meis- tens Kinder, die vor die Türe gehen oder zum Brot holen geschickt wurden. In Sur, der Altstadt von Diyarbakir, gilt seit dem 2. Dezem- ber eine ununterbrochene Ausgangssperre. Sur ist das Herz von Diyarbakir, hier leben ca. 110000 Menschen. In den seit über drei Wochen von Armee und Polizei abgeriegelten Städten Cizre und Silopi steigen derweil die Zahlen der zivilen To- desopfer. Für Zehntausende Menschen, wird sauberes Wasser und Nahrungsmittel knapp. Es gibt faktisch keine Gesundheitsver- sorgung mehr. Der Zugang zu Medikamenten und ärztliche Versor- gung ist aufs minimalste eingeschränkt. Die Bilder, wo zu sehen ist, wie Menschen, die  von den Sondereinsatzkommandos er- schossen wurden auf der Strasse verwesen, weil den Angehöri- gen verweigert wird, sie zu begraben, sind erschreckend. Jetzt wüten wieder skurrile paramilitärische Einheiten unter dem Namen Esedullah Tim (»Gottes Löwen«), deren Aggression sogar vor Leichen keinen Halt macht. Als diese Zeilen geschrieben wur- den, kam die Nachricht, dass drei kurdische PolitikerInnen in Si- lopi bis zur Unkenntlichkeit grausam hingerichtet wurden. Der Begriff von neuer Dimension betrifft nicht nur die Brutalität, die schonungslose Gewalt, die perverse Aggression in den kurdi- schen Gebieten oder die Tatsache, dass mittlerweile Städte Schauplätze von bewaffneten Kämpfen geworden sind bzw. in mehreren Städten sehr große Stadtteile entvölkert werden. Auch politisch haben wir es mit einer neuen Dimension zu tun. Spätes- tens seit dem Recep Tayyip Erdogan Staatspräsident geworden ist, herrscht nämlich in der Türkei ein de facto Regime. Politischer Willkür, offener Rechtsbruch und Missachtung des Grundgesetzes (also sogar des antidemokratischen Grundgesetzes der ehemali- gen faschistischen Junta!) sind an der Tagesordnung; die Neube- setzung des ganzen Polizei- und Justizapparats durch Gleichgesinnte ist längst vollzogen und fast alle großen Medien des Landes befinden sich mittlerweile unter der Kontrolle der Re- gierung. Erdogan selbst hat noch vor einigen Monaten den „Sys- temwechsel für vollzogen“ erklärt; dem Präsidialsystem ala Turca fehle nur noch „der juristische Rahmen“ sagte er. Und der soll jetzt wohl durch die angekündigte Grundgesetzreform posthum geliefert werden! Als der Staatsoberhaupt dieses de facto Regimes vor kurzem je- doch auch den Dialogprozess mit der kurdischen Nationalbewe- gung für nichtig erklärte, antwortete diese dem Affront mit einer ähnlichen de facto Positionierung: die gewählten regionalen politi- schen Vertreter der kurdischen Nationalbewegung proklamierten in mehreren Städten ihre Selbstverwaltungen! Als diese hinterei- nander verhaftet wurden, begannen vor allem die kurdischen Ju- gendlichen in mehreren Städten Gräben um Stadtteile zu errichten. Der politische Symbolgehalt dieses Verhaltens war ein- deutig: respektiert dieses Regime meine Existenz und Wille als Volk nicht, so respektieren wir den antidemokratischen Willen und Ordnung dieses Regimes nicht! Nun mag man viel darüber diskutieren, ob die Art und Weise die- ser Reaktion taktisch richtig war oder nicht. Zweifellos bleibt aber, dass sie inhaltlich völlig berechtigt und richtig war und ist. So wie es zweifellos ist, dass das vorhandene Regime in der Türkei nicht gewillt ist, dem Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes Respekt zu zollen. Es lässt daher nicht nur die Waffen sprechen, sondern strebt auch danach jede politisch konsequent demokrati- sche Vertretung des kurdischen Volkes unmöglich zu machen, sie ANALYSENnHINTERGRUNDINFORMATIONEN nNEWS www.tuerkeiaktuell.wordpress.com JANUAR 2016 TÜRKEI[aktuell] Das kurdische Volk und die demokratischen Kräfte brauchen JETZT unsere Solidarität! Fort. Seite 2

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