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THE SOPHOMORE – ePaper 1 – 150

THE SOPHOMorE | 23 THE SOPHOMORE: So passiert es manch- mal... Waren Sie jemals praktizierender Tierarzt? Schmidt: Ja, natürlich – über das Studium haben wir praktiziert, über die Praktika, kurz nach dem Studium auch ein bisschen, aber nicht jetzt so, dass ich mich rühmen könnte... THE SOPHOMORE: Dann bin ich total un- vorbereitet! (lachen) Der Artikel sollte davon handeln, dass das mittlerweile fast nur ein weiblicher Beruf und für Männer doch auch interessant ist! Was sind denn Ihre Gedanken dazu? Schmidt: Wenn ich Tiermedizin studiere, kann ich natürlich in Praxen gehen. Ich kann Kleintier-, Pferde-, Rinder-, Schweinemedi- ziner werden, ich kann mich um Geflügel kümmern oder um Fi- sche – diese ganzen Fachrichtun- gen kann ich machen. Ich kann an die Universität gehen, forschen, ich kann in die Industrie gehen und Produktmanager werden oder dort ins Labor gehen und an Medika- menten forschen, ich kann in die Behörden gehen, ich kann mich für Tierwohl en- gagieren als Tierarzt – die Bandbreite ist einfach enorm. Über die letzten, sagen wir 15 Jahre, hat sich he- rauskristallisiert, dass Mädchen in der Schule wohl straighter, wissbegieriger, fleißiger sind und einfach den besseren Numerus-Clausus-Schnitt machen. Und so hat sich das Blatt gewendet: Vor 50-60 Jahren waren es ausschließlich Jungs, die Tiermedizin studiert haben. Das hatte damals auch mit einem anderen Anforderungsprofil an einen Tierarzt zu tun, weil Tierärzte sich früher einfach vorrangig um Bauernhöfe gekümmert haben. Da gab es keine Hunde und Katzen in dieser Menge wie heute. THE SOPHOMORE: Da braucht man wahr- scheinlich auch ganz andere körperliche An- forderungen, um ein Pferd unter Kontrolle zu kriegen... Schmidt: Ja, richtig – ein reiner Männerberuf damals. Obwohl Mädels das natürlich auch kön- nen, keine Frage. THE SOPHOMORE: Was haben Sie denn für einen Rat an Leute, die gerne in die Richtung gehen würden, aber noch nicht sicher ist, ob das wirklich ihre berufliche Zukunft werden soll? Man sieht ja, dass man hinterher auch an- dere Wege gehen kann. Schmidt: Also wir haben vor vier Jahren den sogenannten Dessauer Zukunftskreis gegrün- det, wo sich aus dem Umfeld Tiermedizin die unterschiedlichsten Menschen treffen. Wir sind so im Schnitt immer 16-18 Menschen, die sich zwei-drei Mal im Jahr treffen, um Thematiken der Tiermedizin zu besprechen. Das sind Leute von der Universität, aus der Pharmaindustrie, Tierärzte mit Kleintier- oder Pferdekliniken, Leute aus Laboren etc. – also ein sehr breites Spektrum an Teilnehmern, um eben die Zukunft der Tiermedizin zu diskutieren. Und eine Sache war eben, Studien durchzuführen, warum in manchen Städten – zum Beispiel in Hannover, der ältesten Uni der Welt mit Tiermedizin – in machen Jahrgängen 100% Frauenquote erreicht wurde. Und das liegt zum einen am besseren Ab- iturdurchschnitt der Mädchen und zum anderen haben wir so herausgefunden, dass die Jungs ein- fach technikbegeisterter sind. Tiermedizin hat natürlich auch viel mit Technik zu tun – Röntgen, neue Szintigraphie, MRT-Sa- chen, Ultraschall... Aber dennoch ist es nicht der klassische Technik-Beruf. Zudem stellen sich Jungs öfter die Frage „Wie viel Geld kann ich damit verdienen?“ und da fällt dann oft eher die Entscheidung für Zahnmedizin oder Orthopädie als für Tiermedizin. Komischerweise ist auch bei 95% aller Tiermedizinstudenten die Richtung schon mit 12 Jahren festgelegt worden. THE SOPHOMORE: Ja, viele wollen ja schon im Kindheitsalter Tierarzt werden... Was muss einem denn in jungen Jahren klar sein, wenn man diesen Beruf anstrebt – was ist vielleicht anders, als man es sich ausmalt? Schmidt: Der Beruf ist mit Sicherheit nicht, so wie es Menschen im Alter zwischen 12 und 15 denken, diese Pony-Idylle. THE SOPHOMORE: Tiere streicheln? Schmidt: Genau! *Kuschel kuschel*, etc. Ein Hauptargument für die Tiermedizin in dem Al- ter ist: „Ich bin tierlieb.“ THE SOPHOMORE: Ja, aber das ist ja auch eine Voraussetzung, oder? Schmidt: Ja, aber ich habe auch in der Diskus- sion sofort gesagt: Ich bin erstaunt über diese Sache, es ist schön, dass man das sagt, aber ich habe noch nie in meinem Leben, egal in welcher Universität, irgendeinen Humanmedizinstuden- ten getroffen, der sagt: „Ich bin Menschenlieb“. Das scheinen wohl andere Gründe zu sein. Wenn junge Menschen sich eventuell für den Beruf Tierarzt entscheiden wollen, relativ einfach: Ein- fach mal im Ort einen Tierarzt aufsuchen und fragen: „Kann ich mal hier, ich bin Schüler, ein Praktikum machen? Ich will da mal reinriechen – kann ich das überhaupt? Kann ich mal eine OP sehen? Kann ich einem Hund Blut abnehmen?“ Ganz simple Sachen, um herauszufinden: Ist es das Richtige? THE SOPHOMORE: Das ist im Berufsleben ja immer so – oft kommt es anders, als man es sich vorstellt. Wie haben Sie denn so Ihr Studi- um in Erinnerung? Schmidt: Das Studium ist ein extrem verschul- tes Studium und vom ersten Tag an mit einem sehr hohen Aufwand verbunden: Von der ersten Woche, vom ersten Tag an machen Sie Testate, Abtestate, Prüfung, Prüfung, Prüfung, Prüfung... Das Studium dauert fünf Jahre – zehn Semester – Sie fangen an mit Vorphysikum nach einem Jahr, Physikum nach zwei Jahren, dann Erstes Staats- examen nach drei, Zweites Staatsexa- men nach vier und Drittes nach fünf Jahren. „Gib einem Tiermedizinstuden- ten ein Telefonbuch und er kann dir nach einem Tag sagen, auf welcher Seite was ist“ – das ist seit 30 oder 40 Jahren ein gän- giger Spruch. Es ist, wie Humanmedizin auch, ein sehr lernintensives Studium. Aber unter denen, die anfangen, ist die Quote, dass man scheitert, relativ gering. THE SOPHOMORE: Was sind denn die größ- ten Herausforderungen an dem Beruf? Schmidt: Das ist insofern schwierig zu beantwor- ten, da man den Beruf sehr facettenreich gestal- ten kann. Wenn Sie natürlich zu einer Behörde gehen, ist es natürlich was ganz anderes, als wenn Sie sich im Tierschutz engagieren, in einer Klein- tierpraxis oder auf einem Schlachthof arbeiten. Im Vordergrund sollte immer stehen, dass sie dem Tier dienen und alles dafür tun, das Tier retten oder heilen zu können. THE SOPHOMORE: Und wie sind Sie dazu ge- kommen, vom praktizierenden Tierarzt in eine andere Richtung zu gehen? Schmidt: Ich habe einfach während der letzten Jahre des Studiums gemerkt, dass quasi zwei Seelen in einer Brust sind: Auf der einen Seite habe ich gemerkt, dass ich mich für Marketing und Wirtschaft interessiere und auf der anderen Seite für Tiermedizin. Ich habe für mich ganz klargemacht: „Bevor du jetzt in die Praxe gehst und Tierarzt wirst, musst du erst diesen anderen Part, der da ist, für dich klarmachen. Bringt dir das was? Ja oder nein?“. Erst dann hätte ich sagen können, ob das was für mich ist und deshalb habe ich mich direkt in der Pharmabranche beworben und wollte Product Manager, Marketingleiter oder sonst was werden und erst dieses wissen- schaftlich-marketingtechnische, wirtschaftliche umsetzen können. Und das ist mir gelungen, weil es mir auch sehr viel Spaß gemacht hatte. Schön ist, dass es immer viele Möglichkeiten gibt und man verschiedene Wege gehen kann. „Im Vordergrund sollte immer ste- hen, dass Sie dem Tier dienen und alles dafür tun, das Tier retten oder heilen zu können.“ Bildung & Karriere

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