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THE SOPHOMORE – ePaper 1 – 150

THE SOPHOMorE | 17 Wie es dazu kam? Ich weiß es selber nicht genau, alles woran ich mich erinnere sind mein schlech- ter Schnitt (2,9) und zwei Jahre Wartezeit. Es wird irgendwas zwischen Frust über zwei erfolg- lose Jahre Ausbildungssuche und der sich direkt vor meiner Haustür anbahnenden Gentrifizie- rung gewesen sein. Dutzende scheinbar gut lau- fende Bewerbungsgespräche, unter anderem im Theater am Pots- damer Platz und im Theater des Westens und ich kam nie über die Praktikumsphase hinaus. Studieren wollte ich eigent- lich nicht, weil ich ein fauler Sack bin, der nicht weiß wie man lernt. Meine erste Prak- tikumserfahrung habe ich bei Black Box Music gesam- melt. Die Führung zum Einstieg am ersten Tag lief etwa so: „Auf der rechten Seite ist die Kü- che, dann die Umkleiden, links kannst du schon mal ins Lager gucken … Das ist die Probehalle 1, recht voll im Moment, weil hier das Zeug von Rammstein steht.“ Ich kackte mir vor Begeis- terung in die Hose, für mich war klar, dass ich mich hier wohlfühlen würde. Mehrere hundert Quadratmeter zum Bersten voll mit Scheinwer- fern, Lautsprechern, Bühnenteilen, Kabeln und einer Schaumkanone in Penisform. Ein feuchter Traum für jemanden wie mich. Doch meine anfängliche Begeisterung schlug recht schnell um. Die nächsten acht Wochen verbrachte ich Kabel aufwickelnd, Kleinkram sortierend, LKWs ein- und ausladend und 900m²-Probehallen mit einer alten, röchelnden Wischmaschine putzend (angeblich wurde sie einem Metzgerbetrieb abgekauft). Was für ein Abstieg von meiner vorherig jahrelang gepfleg- ten Position als Licht- und Tondesigner in charge an meiner alten Schule. Als Praktikant war man quasi für alle Aufgaben zuständig, auf die schon die Azubis keinen Bock hatten. Aber das klingt alles viel schlimmer als es eigentlich ist. Irgend- wie cool war‘s trotzdem, nur halt nicht so richtig das, was ich mir vorgestellt hatte. Also bewarb ich mich beim Theater am Potsda- mer Platz, wo ich mir einen größeren Einblick ins Theaterleben erhoffte, statt der dauernden Arbeit im Lager. Selten hatte ich nach einem Be- werbungsgespräch so ein schlechtes Gefühl (der böse Cop hat mich wegen meiner Schulnoten total fertig gemacht), umso überraschter war ich also, als ich noch am selben Tag die Einladung zu einem zweiwöchigen Praktikum erhielt. Wahr- scheinlich waren sie von meinem guten Ausse- hen geblendet. (Mal ehrlich, ich hatte es absolut verdient.) Zwei Wochen lang verbrachte ich im Himmel auf Erden. Nicht nur durfte ich eigenverantwort- lich Aufgaben übernehmen, die mir wirklich am Herzen lagen, während der Show hektisch mit einem Headset rumlaufen (und sogar hin- einsprechen (!!!)), nein ich durfte sogar Serkan Kaya, den ich schon aus anderen Musicals kann- te und bewunderte, die Hand schütteln und mit ihm gemeinsam in der hauseigenen Kantine es- sen. Alles in allem war diese Erfahrung für mich ein purer Traum. Ich konnte es kaum erwarten, endlich meine Ausbildung dort zu beginnen. Zwei Monate haben sie sich mit der Ant- wort Zeit gelassen. Dann kam der An- ruf, der mein Le- ben hätte verändern können – und ru- inierte alles. Noch heute fauche ich das Gebäude, das ich einst so liebte, beim Vorbeigehen an. Anfangs wünschte ich den Verantwortlichen im Theater noch, dass „Hinterm Horizont“ (nach mehreren hundert Malen wird jede Show lang- weilig) bis zu ihrer Rente dort läuft (das Theater selbst hat kaum Einfluss darauf), seit ich studiere bin ich fast darüber hinweg und weine nur noch gelegentlich leise im Schlaf. Meine Freizeit schlug ich währenddessen in mei- ner alten Schule tot, wo ich immer noch Licht- und Tondesigner in charge war, und versuchte einen weiteren Anlauf im Theater des Westens. Dort verbrachte ich ein erfolgreiches Bewer- bungsgespräch und einen ganzen Praktikum- stag. Ich möchte das Theater des Westens hier nochmal deutlich hervorheben, weil sie soooo freundlich waren. Es waren mindestens noch acht weitere Bewerber, und mindestens vier da- von waren genauso gut wie (und anscheinend besser als) ich, dass sie mich nicht genommen haben, nehme ich ihnen nicht übel, enttäuscht war ich natürlich trotzdem. Nach fast zwei Jahren erfolgloser Suche nach einem Ausbildungsplatz war klar, dass ich eine Alternative brauchte. Irgendein Studium zu be- ginnen schien am naheliegendsten, also durch- stöberte ich das Repertoire aller Berliner Unis und Hochschulen, die nichts kosten, auf der Suche nach einem Studiengang, der so halbwegs meine Interessen unter einen Hut bringen könn- te. Zudem sollte er möglichst wenig Mathe oder gar Physik enthalten und ein typisches „Laber- fach“ wollte ich auch nicht. Was ich mal damit machen kann, war zunächst einmal zweitrangig und nach Einstiegsgehältern wollte ich mein Stu- dienfach auch nicht wählen. In die engere Wahl kamen zum Beispiel Gebäude- und Energietech- nik, Economics (so viel zu „wenig Mathe“) und eben Stadt- und Regionalplanung. Ein Studien- gang, von dem ich erfuhr, als ein Freund, wäh- rend wir bei McDonald’s saßen, googelte, was ich so studieren könnte. Insgeheim hoffte ich eigent- lich, von allen Unis abgelehnt zu werden und so Bildung & Karriere „IN DER ÖFFENTLICHEN VERWALTUNG BEKOMMEN SIE MEHR GEHALT, DAFÜR MÜSSEN SIE FREITAGS SCHON UM EINS NACH HAUSE“. Unser Entwurfsgrüppchen nachts um halb vier im Atelier: (v.l.n.r.) Robert, Sanjin (Das bin ich!) und Nico

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