16 LAND & LEUTE 17 Gleichstellungsgesetz wurde dafür geändert, son- dern das Unternehmensgesetz, denn gerade die Einordnung ins Wirtschaftsrecht ermöglicht die Androhung jener harten Sanktionen, die als not- wendig erachtet wurden, um den Stein endlich ins Rollen zu bringen. Nachdem drei Jahre lang kaum freiwillige Fort- schritte zu verzeichnen gewesen waren, trat das Gesetz im Jahr 2006 in Kraft. Es räumte eine zwei- jährige Übergangsfrist ein; spätestens seit 2008 muss eine Aktiengesellschaft, die gegen die Quote verstößt, mit empfindlichen geschäftsschädigen- den Strafen rechnen, bis hin zur Auflösung der Firma. Und plötzlich lief alles wie am Schnürchen; all die zuvor grell beschworenen Schwierigkeiten blieben einfach aus: Im Jahr 2009 vermeldete die norwegische Regierung eine Quote von 40 Prozent in den Verwaltungsräten der staatlichen sowie börsennotierten Unternehmen des Landes. Wenn die Norwegerinnen und Norweger heute auf den Dezember 2003 zurückblicken, werden sich viele ein dezentes Grinsen nicht verkneifen können. Die hitzigen Debatten über die Regelung sind mittlerweile merklich abgekühlt, und der nor- wegischen Wirtschaft geht es deutlich besser, als die Menetekler prophezeit hatten. Dass Frauen ei- nen Teil der Führung übernehmen, gilt nicht mehr als Gefährdung der Bilanzen und ausländischen Investitionen, sondern schlichtweg als Normalität, an der sich der Rest Europas gern ein Beispiel neh- men darf. Das Büro Henning Larsen Architects hat sich in Europa vor allem mit Kulturbauten einen Namen gemacht. Einer der populärsten Bauten der jüngs- ten Zeit ist das Konzerthaus „Harpa“ in Reykjavík, das 2011 eröffnet wurde. Hat Sie die Wirtschaftskrise in Island denn be- troffen? Ja, natürlich. Zum Glück war der Rohbau der Konzerthalle zu dem Zeitpunkt schon so weit fortgeschritten, dass man ihn nicht mehr stoppen konnte. Das Projekt hat die Finanzkrise überlebt, aber es war spannend und ein großes Glück, dass alles gut gegangen ist. Ist die Krise aus Ihrer Sicht schon vorbei? In Skandinavien und auch in Island scheint sich eine Verbesserung abzuzeichnen, aber es wird bestimmt noch einige Zeit dauern, bis wieder so große Projekt angegangen werden wie die „Har- pa“. Henning Larsen Architects hat sich zudem an- ders orientiert. Wir haben vor ein paar Jahren das Münchner Büro aufgemacht, im vergangenen Jahr auch Büros in Oslo und Istanbul eröffnet. Wir wol- len nicht nur im Ausland arbeiten, sondern auch im Ausland vor Ort sein. Sie expandieren in die Welt. Warum ist das däni- sche Design international so gefragt? Weil´s schön ist. Und in Augenhöhe mit Menschen und der Zeit. Es ist einfach und bescheiden. Auf einem Stuhl muss man erst einmal sitzen können, und wenn er dann noch schön aussieht … Die däni- sche Ethik ist eine protestantische, da gibt es nicht so viel Fest und Prunk und Protz. Barock könnte man sich in Dänemark nicht vorstellen, den gibt es da auch nur in einer sehr abgeschwächten Form. Eine Wieskirche kann eben nur in Bayern stehen. Wie alle Skandinavier haben skandinavische Ar- chitekten – zu denen ich mich aufgrund meines zwölfjährigen Aufenthalts dort auch zähle, obwohl ich Münchner bin und hier studiert habe – ein aus- geprägtes Gemeinschaftsgefühl. Das führt einer- seits dazu, dass wir auf die Zusammenarbeit mit Bauherren und Beteiligten großen Wert legen. Wir machen Architektur auf Augenhöhe, wir wollen mit den Leuten reden und diskutieren; wir lieben es zu hinterfragen und das Projekt auf dieser Grundlage weiterzuentwickeln. Andererseits schlägt sich die- ser Sinn für Gemeinschaft auch architektonisch nieder, das heißt: Räume, um sich zu treffen und zu kommunizieren, wird man in allen Projekten von Henning Larsen finden. Wir versuchen stets, die Funktionen eines Gebäudes um einen Gemein- schaftsraum herum zu organisieren – ein Aspekt, der in den sich wandelnden Arbeitswelten von heute immer wichtiger wird. Henning-Larsen-Architektur drängelt sich zudem nicht in den Vordergrund. Unseren Gebäuden sieht man oft nicht an, dass sie von uns stammen, weil alle sehr unterschiedlich sind. Das liegt daran, dass wir immer im Kontext bauen. Jeder Entwurf ist eine Antwort auf die Fragen: Wo bauen wir? Für wen bauen wir? Wie sind die Verhältnisse? Wir wollen keinen Objekt-Export, wir exportieren vielmehr unsere Herangehensweise an die Projek- te. Den Wettbewerb für ein Conference Center in Calabar im Südosten Nigerias haben wir zum Bei- spiel gewonnen, weil wir mit einer Untersuchung Nigerias begonnen haben. Wir wollten wissen: Was ist das für ein Land? Welche Struktur hat es? Was ist das für eine Gesellschaft? Wir haben den Auftraggebern erzählt, wie wir sie sehen – was sie offensichtlich beeindruckt hat, da sie bei europä- ischen Architekten oft einen beinahe kolonialisti- schen Blick wahrnehmen. Auf Augenhöhe mit der Kultur Ein Gespräch mit dem Architekten Werner Frosch von Henning Larsen Architects SA 11.05. 18:00 Uhr / Gasteig, Vortragssaal der Bibliothek SCHWIMMEN GEHEN (FARA AD SYNDA) Dokumentarfilm über Opfer der Krise Schweiz 2011, 70 MinUTEN, OmU Regie: Bettina Schwarzenbach SO 12.05. 18:00 Uhr / Gasteig, Vortragssaal der Bibliothek FUTURE OF HOPE Dokumentarfilm über Wege aus der Krise GroSSbritannien 2010, 75 MinUTEN, OmU Regie: Heather Millard und Henry Bateman • • Szene aus dem Film SCHWIMMEN gehen © Marfilms Szene aus dem Film Future of hope © icelandicfilms.info