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Nordic Talking: Der Katalog

14 LAND & LEUTE 15 Identität, an dem laut Breivik der „Kulturmarxis- mus“ und „Multikulturalismus“ der Sozialdemokra- tie Schuld trage. Doch während Dänemark noch im Jahr 2005 mit Mohammed-Karikaturen, denen es sichtlich um Provokation und nicht um Poin- ten ging, von sich reden machte, gründete sich in Schweden bereits zehn Jahre zuvor die unpartei- liche Expo-Stiftung, die sich der Dokumentation und Analyse nationalistischer, antidemokratischer, rassistischer, antisemitischer und rechtsextremer Strömungen verschrieben hat. Ins Leben gerufen wurde sie nicht nur wegen der zunehmenden Ver- breitung rechtsextremer Musik und Propaganda in Schweden Mitte der 1990er-Jahre, sondern vor allem als Antwort auf sieben Morde, die 1995 von Neonazis verübt worden waren. Die Reaktionen auf die Initiative gaben ihr auf fürchterliche Weise recht: Kurz nach dem Erscheinen der ersten Aus- gabe des Expo-Magazins erhielten Gründer und Redakteure Schmähbriefe und Todesdrohungen; die Druckerei, in der die Zeitschrift hergestellt worden war, fiel einer Verwüstung anheim. Auch den Prozess gegen Anders Behring Breivik hat die Expo-Stiftung in ihrem Blog wie im Magazin journalistisch eng begleitet. Wieder einmal ver- misste man da schmerzlich die Stimme des Jour- nalisten Karl Stig-Erland Larsson, der von 1995 bis zu seinem plötzlichen Tod im Jahr 2004 als Herausgeber des Magazins fungiert hatte. Noch heute erinnert eine Traueranzeige auf der Expo- Website an den prominenten Gründer, dem die Stiftung nicht nur die ideelle, sondern auch einen Teil der finanziellen Ausstattung verdankt. Denn Larsson wurde nach seinem Tod international be- rühmt – als die drei Kriminalromane veröffentlicht wurden, die er unter dem Namen Stieg Larsson geschrieben hatte und die heute weltweit auf den Bestsellerlisten stehen. Man kann nur hoffen, dass nach den mörderischen Fiktionen auch der reale Kampf gegen die tödliche Gefahr des Rechtsex- tremismus zum schwedischen Exportschlager avanciert. Auch dieser Kampf gehört nämlich zu dem Vermächtnis des Autors Stieg Larsson. Am 24. August 2012 verurteilte die Richterin Wenche Arntzen den 33-jährigen Anders Behring Breivik zu 21 Jahren Gefängnis mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Für die Anklage bedeu- tete dieses Urteil eine Niederlage, denn Staats- anwältin Inga Bejer Engh hatte gefordert, Breivik für unzurechnungsfähig zu erklären und ihn in eine psychiatrische Klinik einzuweisen. Doch Richterin Arntzen wollte dem nicht folgen: Wer sich als Poli- zist verkleidet, eine Bombe im Osloer Regierungs- viertel zündet, dann auf die Insel Utøya übersetzt und dort 69 Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Ferienlagers der Jugendorganisation der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Arbeidernes Ungdomsfylking erschießt – wer also einen An- schlag derart exakt und perfide plane, der könne kaum als unzurechnungsfähig eingestuft werden. Über Breiviks Gesicht huschte bei dieser Erklä- rung ein Lächeln der Befriedigung: Immer wieder hatte er während des Prozesses betont, wie wich- tig es ihm sei, nicht für verrückt erklärt zu wer- den. Und so warf man der Richterin anschließend vor, mit ihrem Urteil Breiviks Willen entsprochen zu haben – statt sie für die Souveränität ihrer Rechtsprechung zu loben. Schließlich war es ihr gelungen, angesichts eines inkommensurablen Ereignisses und trotz zweier sich eklatant wider- sprechender Gutachten eine eigene juristische Meinung zu etablieren und die Gesellschaft damit nicht aus der Verantwortung zu entlassen. Das Attentat vom 22. Juli 2011 traf nicht nur Nor- wegen, sondern ganz Skandinavien ins Mark. Seit Jahrzehnten erstarken auch in Dänemark und Schweden rechtspopulistische Parteien, die offen und engagiert Stimmung machen gegen Immigrati- on und gegen den angeblichen Verlust nationaler Gleichberechtigung interessiert den Unterneh- mer Ansgar Gabrielsen nach eigener Aussage herzlich wenig. Umso überraschter dürften Freun- de wie Gegner gewesen sein, als am 22. Februar 2002, am Tag der Regierungsdebatte über eine Quotenregelung, in der auflagenstärksten nor- wegischen Zeitung Verdens Gang ein Interview erschien, in dem Gabrielsen als damaliger Wirt- schaftsminister des Landes seinen Unmut über rein männlich besetzte Unternehmensvorstände äußerte und die Einführung einer Frauenquote befürwortete. Auch seine Parteikollegen hatte er zuvor nicht über das Gespräch mit der Zeitung und dessen Inhalt informiert – die wären ohnehin dagegen gewesen, erklärte er später, da sie sich bereits als Gegner der Quote positioniert hatten. Eine lautstarke Äußerung in den Medien schien ihm deswegen die einzige Möglichkeit zu sein, das Gesetz doch noch mit den Stimmen seiner Partei Høyre, den norwegischen Konservativen, zu ver- abschieden. Wieso Gabrielsen sich für die Quote aussprach? Ganz einfach: Es sei ökonomischer Unsinn, Frauen gut auszubilden und deren Talente anschließend brachliegen zu lassen. „Frauen trauen sich, Fra- gen zu stellen, und Männer sind risikofreudiger. Ein Unternehmen braucht beides“, sagt er. Da solch logische Argumente allerdings nicht fruch- ten wollten, musste eben ein Gesetz eingeführt werden, das Unternehmen auf deren Anwendung verpflichtet. Das Interview überzeugte offenbar auch Quoten-Gegner. Im Dezember 2003 wurde die norwegische 40-Prozent-Regelung von der konservativen Regierung beschlossen, die sich damit als Vorreiter in Europa erwies. Nicht das Zurechnungsfähig Skandinaviens Umgang mit Rechtspopulismus Ein Unternehmen braucht beides Die norwegische 40-Prozent-Quote dient nicht nur der Gerechtigkeit MO 29.04. 18:30 Uhr / Gasteig, Black Box Offene Gesellschaften und Rechtspopulismus in Skandinavien Diskussion mit Harald Stanghelle (Chefre- dakteur des norwegischen Aftenposten), Ali Esbati (Blogger, Mitglied der schwe- dischen Vänsterpartiet) und Alexander Bengtsson (Journalist, Expo-Magazin) Moderation: Gunnar Herrmann MI 15.05. 19:30 Uhr / Münchner Stadtbibliothek Am Gasteig, Ebene 1.1 EUROPAFORUM: FRAUEN IN FÜHRUNG? Diskussion mit Anna-Lena Johansson (Lei- tung Wirtschaftsförderung der Region Göteborg), Andrea Stellwag (Geschäfts- führerin Finanzen der ConSol Software GmbH). LYDIA DIETRICH (STADTRÄTIN DER LH MÜNCHEN) UND anna hakala (finnische Botschaft) Moderation: Jutta Prediger (Bayern2) • •

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