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Nordic Talking: Der Katalog

20 LAND & LEUTE 21 he, die mein Bruder reparieren musste. Schon bei dem Gedanken, es vielleicht doch nicht zu schaf- fen, die Unterstützung in ein fertiges Manuskript umzusetzen, fühlte ich den beiden gegenüber Schuld. Dadurch kam ein ganz neuer Ernst ins Spiel. Das unverbindliche Spaß-Schreiben wandelte sich in ein „Projekt“, von dem ein paar kompetente Men- schen meinten, ich solle mehr von meiner Zeit hineinstecken. Und sie durfte ich ja auch nicht enttäuschen. Mit anderen Worten: Ich empfand eine größere Verpflichtung, das Manuskript zur Vollendung zu bringen, als wenn ich keine Unterstützung bekom- men hätte. Das schaffte schnell die nötige Selbst- disziplin, die ich früher nie mit dem Verfassen von Gedichten verbunden hatte. Plötzlich fing ich an, mir selbst Fristen zu setzen, unzählige Entwürfe zu schreiben und „am Manuskript zu arbeiten“, wie es ja in Schriftstellerkreisen heißt. Ich fühlte mich, kurz gesagt, als hätte ich eine Projektanstellung, um mein Schreiben voranzutreiben, meine alte Leidenschaft. Als ich das zweite Mal Fördermittel bekam, war das für die Arbeit an dem Romanmanuskript „Uku- lele-jam“ (Ukulele Jam, dt. 2013 bei Metrolit). Auch diese knapp 400 Seiten, die 2011 bei Gyldendal erschienen, wären ohne Unterstützung niemals zu- stande gekommen. Zum einen, weil ich so zeitwei- se in Vollzeit schreiben konnte; zum anderen, weil ich mich erneut verpflichtet fühlte, irgendwann ein Ergebnis vorzuweisen. Ich hatte die Idee zu diesem Roman nämlich schon seit Jahren mit mir herumgetragen, und dass der Staat – oder besser gesagt: der Steuerzahler – Geld in „das Projekt“ gesteckt hatte, gab mir das Gefühl, es müsse „jetzt oder nie“ geschehen. Es erzeugte einen gewissen inneren Druck: „Wenn du ihn jetzt nicht schreibst, solange du Geld hast, wann denn dann? Später? Neben einem Vollzeitjob? Come on! Um einen ganzen Roman zu schreiben, braucht man Zeit und die richtigen Voraussetzungen, sich eine gute Por- Euphorie und ein klein wenig Schuld – beides fühlte ich, als ich zum allerersten Mal ein Arbeits- stipendium des Dänischen Kunstrats bewilligt be- kam. Das war im Juni 2007. Ich hatte einen Text zur Anthologie „Nye stemmer“ (Neue Stimmen) des Gyldendal-Verlags beigetragen und saß gerade an einem Lyrikmanuskript. Zwei Jahre später war aus dem Manuskript die Gedichtsammlung „Første gang tilbage“ (Zum ersten Mal zurück) geworden, die im selben Verlag erschien. Die Unterstützung durch den Kunstrat trug maß- geblich dazu bei, dass aus dem Manuskript über- haupt etwas werden konnte. Nicht nur, weil die Bewilligung es mir ermöglichte, eine ganze Reihe von Aushilfsstunden abzulehnen, die mir mein Ar- beitgeber anbot, sondern vor allem, weil sie mei- nen Blick auf die eingesandten Texte veränderte. Die vielen Unsicherheiten hinsichtlich der Qualität des Manuskripts wurden ziemlich zurechtgestutzt: „Komm schon, wir glauben an dich“, stand da in- direkt in dem Brief. „Du musst dich nur zusam- menreißen, weiterschreiben und die Sache fertig machen.“ Daher die Euphorie und das nötige Selbstver- trauen. Aber wieso eigentlich das Schuldgefühl? In Bosnien, wo ich herkomme, wird das Verfas- sen von Lyrik als ein Hobby betrachtet, nicht als „richtige Arbeit“. Zumindest in der Arbeiterklas- se, der auch meine Familie angehört. Für das Ge- dichteschreiben entlohnt zu werden, erschien mir deshalb beinahe als ein unverdientes Privileg. Ich dachte an all die Hotelzimmer, die meine Schwes- ter putzen musste, um den Betrag zu verdienen, der mir zugesprochen wurde, und an all die Schu- tion Energie und Beharrlichkeit anzusammeln und nicht zuletzt auch zu bewahren. Und neben einem Vollzeitjob geht das einfach nicht!“ Wegen oder dank „Ukulele-jam“ habe ich im vergangenen Jahr ein dreijähriges Arbeitsstipen- dium des Staatlichen Kunstfonds erhalten. Mein alter Vater, der in Bosnien lebt, konnte so gar nicht verstehen, wie man drei Jahre lang eine Art Min- destlohn bekommen kann, ohne anschließend ein konkretes Resultat vorlegen zu müssen. „Wenn du dann am Ende nichts geschrieben hast, zahlst du aber das Geld zurück, oder?“, sagte er. Schließlich musste ich ihm das Stipendium als einen „Preis“ beschreiben, den ich bekommen hätte und von dem ich während der Arbeit an meinem nächsten Roman leben würde. Und das tue ich jetzt. Ich lebe von dem Stipendi- um und schreibe in Vollzeit. Ich ziehe mir selbst die Ohren lang und bekomme jedes Mal ein schlech- tes Gewissen, wenn ich das Gefühl habe, mit dem Projekt nicht voranzukommen. Der innere Druck und die Angst vor der leeren Seite sind größer als je zuvor. Denn diesmal schauen mir die Leser über die Schulter und fragen: „Kommt denn nicht bald eine Fortsetzung?“ Doch auch sie hätte es ohne die Unterstützung des Fonds niemals gegeben. Aus dem Dänischen von Flora Fink Staatlich geförderte Leidenschaft Die Familie, der Steuerzahler und das schlechte Gewissen Von Alen Meškovic´ Alen Meškovic´, 1977 in Bosnien geboren, übersiedelte 1994 nach Dänemark, wo er den Magisterstudiengang Modern Culture and Communication absolvierte. Seine erste eigenständige Publikation, der Lyrikband „Første gang tilbage“ (Zum ersten Mal zurück) wurde 2009 von der Kritik sehr gelobt. Für sein Roman-Debüt „Ukulelejam“ (Ukulele Jam) erhielt er ein dreijähriges Arbeitsstipendium des Staatlichen Kunstfonds. Alen Meškovic´, 1977 in Bosnien geboren, übersiedelte 1994 nach Dänemark, wo er den Magisterstudiengang Modern Culture and Communication absolvierte. Seine erste eigenständige Publikation, der Lyrikband „Første gang tilbage“ (Zum ersten Mal zurück) wurde 2009 von der Kritik sehr gelobt. Für sein Roman-Debüt „Ukulele-jam“ (Ukulele Jam) erhielt er ein dreijähriges Arbeitsstipendium des Staatlichen Kunstfonds. • • SA 04.05. 21:00 Uhr / Glockenbachwerkstatt Ukulele Jam Lesung und Gespräch MIT Alen MeškoviC´ DI 14.05. 19:00 Uhr / Gasteig, Black Box KULTURFÖRDERUNG IM NORDEN Diskussion mit Kirsten Hammann, Lars Saabye Christensen und Nora Gomringer. Moderation: Roland Hoffmann PORTRÄT Kirsten Hammann © Kamilla Bryndum PORTRÄT Lars Saabye Christensen © Thomas Andersen Porträt Alen MeškoviC´ © Isak hoffmeyer

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