gegen, unabhängig vom Alter. Gerade damit ein Kind beide Systeme integrieren kann, muss es beide auch erleben dürfen. In einigen Fällen, in denen das Kind nach den Umgängen über längere Zeit hinweg Schwierigkeiten hat, sich zu stabilisieren, sollte der Fokus darauf liegen, dass das Kind lernt, sich besser zu regulieren. Erst wenn dieser Entwicklungsschritt erreicht ist, kann man darüber nachdenken, wie die zukünftigen Umgänge gestaltet werden sollen. Gibt es besonders erfolgreiche Ansätze Gibt es besonders erfolgreiche Ansätze oder Modelle, die helfen können, Pflegekin- oder Modelle, die helfen können, Pflegekin- der emotional zu stabilisieren? der emotional zu stabilisieren? Was ich sehr hilfreich finde, sind Program- me, die sowohl bindungsorientiert als auch traumaorientiert arbeiten. Beim bindungs- orientierten Ansatz sollen Kinder, die eine gestörte Bindung haben, mit Unterstützung eine organisierte Bindung aufbauen können. Zum Beispiel bei Umgängen. Hier geht es darum, den Kontakt so zu gestalten, dass er für das Kind sicher und vorhersehbar wird. Und bei der bindungsorientierten Arbeit geht es auch um die Begleitung der Pflege- eltern. Wenn diese gut begleitet werden, kann das auch stabilisierend wirken. Und ein Trauma kann ja durch vieles entstehen, durch die Herausnahme selbst, aber auch durch das, was die Kinder vorher erlebt haben: Vernachlässigung, Missbrauch, Gewalt oder auch eine extreme Deprivation, also ein Mangel an Anregung und Zuwen- dung. Und es reicht eben nicht, nur mit den Kindern zu arbeiten. Auch die Eltern brau- chen Unterstützung in ihrer Trauer. Es gibt Konzepte, die Elterngruppen anbieten. Den Eltern muss von Anfang an erklärt werden, welche Schritte als Nächstes folgen und dass sie ein Wunsch- und Wahlrecht haben. Ihnen sollte vermittelt werden, wa- rum bestimmte Personen als Pflegefamilie ausgewählt wurden. KINDER ZU STÄRKEN BE- DEUTET NICHT, DASS MAN IHNEN NICHTS SAGT Meine Erfahrung ist häufig: Wenn Kinder aus der Familie herausgenommen werden, passiert danach mit den Eltern nicht mehr ) 2 ( R P , t a v i r p : s o t o F ; n fi r e M , k c o t S i : k fi a r G Nachgefragt viel, obwohl sie ein Recht auf Beratung haben. Im ersten Jahr nach der Herausnahme muss eigentlich die intensivste Hilfe erfolgen. Denn dann kann der Versuch gemacht werden, die Erziehungsfähigkeit der Eltern in einem für das kindliche Erleben vertretbaren zeitlichen Rahmen wiederherzustellen. Gleichzeitig muss aber in dieser Zeit auch die intensivste Hilfe in der Pflegefamilie geleistet werden. Ein weiterer wichtiger Punkt, den wir verstehen müssen, ist: Kinder zu stärken be- deutet nicht, dass man ihnen nichts sagt. In der Praxis erlebe ich es immer wieder, dass in der Situation der Inobhutnahme einem Kind, auch einem ganz kleinen Kind, nicht erklärt wird, was gerade passiert und wie es weiter geht. Wären aus Ihrer Perspektive politische, Wären aus Ihrer Perspektive politische, gesetzliche oder strukturelle Veränderun- gesetzliche oder strukturelle Veränderun- gen in Bezug auf Umgänge wünschenswert gen in Bezug auf Umgänge wünschenswert – und falls ja, welche? – und falls ja, welche? Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es braucht mehr: neutrale Anlaufstellen, mehr Beratung – auch für Pflegeeltern. Die wissen oft nicht, was dem Kind widerfahren ist. Aus Datenschutzgründen erfahren sie wenig, verstehen dann aber bestimmte Verhaltens- weisen nicht. Rechtlich müssen wir allerdings vorsichtig sein. Wenn wir zum Beispiel die Schwelle für Kindeswohlentscheidungen verschieben, verändert sich das ganze System. Eltern sollten keine Angst haben, dass ein Kind, wenn es einmal herausgenommen wurde, für immer weg ist. Aber Kinder sollten auch nicht fürchten müssen, dass sie, wenn sie irgendwo Wurzeln geschlagen haben, plötzlich wieder herausgenommen werden. Zum Weiterlesen »Bindung bei Pflegekindern: Bedeutung, Entwicklung und Förderung« Ein wissenschaftlich fundiertes Buch von Katja Nowacki und Silke Remiorz Kohlhammer, 38 Euro »Sichere Kinder brauchen starke Wurzeln: Wegweiser für den Umgang mit bindungsbeeinträch- tigten Kindern und Jugendlichen« Ein praktischer Ratgeber von Thomas Köhler-Saretzki Schulz-Kirchner Verlag, 11,50 Euro Sophie Warning-Peltz geboren 1964, ist Diplom- Psychologin und hat eine Rechtspsychologische Praxis in Hamburg. Seit 25 Jahren ist sie Sachverständige im Bereich Familienrecht. Darüber hinaus ist sie als Supervisorin und in der Fortbildung für Justiz, Familien- anwälte, Jugendämter, Adoptiv- und Pflegeeltern tätig. ∙ 19 ∙