Blickpunkt regiosignale Kongress 2022 Entwicklung der Regionalisierungsmittel, Nachfolgeangebot des 9-Euro-Tickets: Als sich Branchenkongress regiosignale 2022 am 19. Oktober in Frankfurt a. M. trifft, stehen die zen- tralen politischen Entscheidungen noch aus. Andreas Schilling, der als Vorstandsbeauftragter Marketing der DB Regio AG die rund 400 Gäste im „Kap Europa“ und die virtuell Teilnehmen- den begrüßt, ist dennoch optimistisch. „Das ist unsere Zeit, das ist unsere Chance.“ Botschaften der Marktforschung Keine Frage: Das 9-Euro-Ticket hat Spuren hinterlassen, berichtet Lars Wagner vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. Jeder fünfte Käufer ein Neukunde. Jede sechste Fahrt aus anderen Verkehrsmitteln zum ÖPNV verlagert, jede zehnte er- setzte das Auto. Die Marktforschung zeigt: Menschen lassen sich dazu be- wegen, über ihre Verkehrsmittelwahl nachzudenken. Das Neukundenpoten- zial ist signifikant. Allerdings waren Nutzerzahlen im ländlichen Raum nur halb so hoch wie in den Metropolen. 44 Prozent der Befragten gaben an, das Ticket nicht gekauft zu haben. Ei- ner der meistgenannten Gründe: das unzureichende Angebot vor Ort. Fazit für die Branche: Sie muss das Angebot ausbauen, Kapazitäten erweitern und im ländlichen Raum mehr tun. „Wir werden erheblichen Fahrgastzuwachs realisieren“ Wie der Nachfolger des 9-Euro-Tickets heißen soll, steht beim Branchenkon- gress regiosignale 2022 zwar noch nicht fest, auch die Gestaltung des Angebots ist im De- tail noch offen. Aber Bund und Länder haben sich dazu bekannt, dass sie es wollen. Mario Theis (DB Regio) sieht in ihm die Chance, „eine relevante Alternative zum Auto zu schaffen“ und „erheblichen Fahrgastzuwachs zu realisieren.“ Laut Marktforschung seien rund 20 Millionen Menschen mit Bartarif, also Einzelfahrt, Wochen- oder Monatskarte im ÖPNV unterwegs, so Theis (Foto). Gelinge es, sie zum Nachfolgeangebot des 9-Euro-Ti- ckets hinzuziehen, „dann werden sie regelmä- ßige Nutzer.“ Tobias Heinemann (Transdev) findet das Nachfolgeticket ebenfalls gut, wen- det allerdings ein, das 9-Euro-Ticket habe die Schwächen eines seit Jahren unterfinanzier- ten Systems offengelegt. Es werde viel Geld benötigt, damit der ÖPNV seinen Beitrag zur Verkehrswende leisten könne, das 49-Euro-Ti- cket sei da „nur die Kür“. Bernd Rosenbusch (Münchner Verkehrs- und Tarifverbund) lenkt den Fokus auf die Tarifsystematik. „Wir müssen den Einstieg in die steuerfinanzierte Tarifgestaltung zur Kenntnis nehmen.“ Für Johann von Aweyden (Deutschlandtarifver- bund) liegen darin auch Chancen. „Steuerfi- nanzierte Tarife fördern die Einfachheit und Kundenzentrierung. Nutzerfinanzierung und Einzelfallgerechtigkeit werden daher zuneh- mend hinterfragt.“ „Der Klimawandel wartet nicht auf unsere Entscheidungen“ Zum ersten Mal nimmt Evelyn Palla, seit „Die Mobilitätswende wer- den wir nur dann schaffen, wenn wir konsequent Mo- bilität vom Kunden her denken.“ „Es ist wichtig, dass wir die Verkehrsverla- gerung nicht nur über viel Steuergeld und günstige Ticketpreise hinkriegen, sondern vor allem über einen an sich überzeugenden ÖPNV und SPNV.“ Juli Vorständin der DB AG und Vorstands- vorsitzende der DB Regio AG, am Branchen- kongress regiosignale teil. Die Südtirolerin war 2019 von den Österreichi schen Bundes- bahnen, wo sie ebenfalls den Regionalverkehr verantwortete, zur DB gewechselt. Ab 2019 leitete sie zunächst das Finanzressort im Vor- stand der DB Fernverkehr AG. Im Interview mit Moderator Michael Sporer beleuchtet sie die Entwicklung der Branche und aktuelle He- rausforderungen. Hier einige Kernaussagen: „Die Verkehrswende ist ein Mammutpro- jekt. Wir brauchen dafür zwei Dinge: die klügs- ten Köpfe und eine auskömmliche Finanzaus- stattung.“ „Am Ende entscheidet jede Gesellschaft für sich, wie viel ihr ÖPNV und SPNV wert sind und wie viel Geld aus dem Staatshaushalt da- für ausgegeben werden soll.“ 4 L i n k s z u d e n Vi d e o m i t s c h n i t t e n d e r r e g i o s i g n a l e 2 0 2 2 i m E- Pa p e r stär ker mit „Wir müssen vor allem im ländlichen Raum viel integrier- ten Konzepten in der S t r a ß e n m o b i l i t ä t arbeiten, zum Bei- spiel mit Linien- bussen und On-De- mand-Verkehren, und die Menschen dort abholen, wo das Mobilitätsbedürfnis entsteht. Es gibt ja schö- ne Beispiele, wo das schon sehr gut funktioniert. Unse- re Aufgabe ist es, das zu skalieren „Vielleicht müssen wir in unseren Köpfen noch etwas beweglicher werden, wenn wir Mobilität denken und umsetzen. In meinen Augen ist es wichtig, dass wir Mobilität groß, integriert und verkehrsmittelübergreifend denken.“ und viel groß räumiger auszurollen.“ „Ich glaube, dass wir gegenüber dem moto- risierten Individualverkehr immer einen Vor- teil haben, weil wir energieeffizienter sind. Und Energie ist ein knappes Gut.“