das programm war so gut, dass ein junger jesuit die anderen aus dem raum schickte, weil das „gespräch“ mit der maschine sehr persönlich wurde. aber selbst wenn das programm so gut antwortete wie ein ech- ter seelsorger, so fehlte ihm doch etwas: es erlebte nichts. es empfand kein mitgefühl mit den problemen des jungen mannes, es empfand nicht das verlangen, jetzt etwas sagen zu wollen, oder die unsicherheit, die einen überkommt, wenn einem die worte fehlen. es hatte keine empfindungen. es fühlte sich nicht irgendwie an, dieses com- puterprogramm zu sein. deshalb war es nur virtuell. für einen echten hund, beispiels- weise, fühlt es sich irgendwie an, ein hund zu sein, für einen virtuellen hund hingegen nicht. der virtuelle hund besteht nur aus einer reihe von bildpunkten, die hundeför- mig angeordnet sind. der wirkliche hund hat eine innere einheit, weil er bewusstsein hat und etwas erlebt. jetzt sind wir bei einer tiefen spirituellen weisheit angelangt: wirklichkeit im vollen sinne ist da, wo etwas erlebt, etwas ge- spürt, etwas erfahren wird. anstatt mit die- ser vollen wirklichkeit in kontakt zu sein, verlieren wir uns gerne an die dinge, die nichts erleben: das geld, den besitz, die technik. im grunde sind das alles aber nur virtuelle, also seelenlose realitäten. und so bekommt jesu wort plötzlich eine ganz überraschende bedeutung: „was nützt es einem menschen, wenn er die ganze welt gewinnt, dabei aber seine seele einbüßt? um welchen preis kann ein mensch seine seele zurückkaufen?“ (mt 16,26) man kann die seelenlose zeit im leben nicht zurück- kaufen. die zeit, die man an seelenlose dinge verschwendet hat, ist verronnen. wie viel großartiger ist doch ein einfaches emp- findungsfähiges wesen – eine katze oder ein pferd – im vergleich zum neuesten han- dy oder auto? und um wie viel großartiger spirituelles leben ist ein leben, das immer die tiefere, die in- tensivere empfindung sucht. noch der mensch? wir hingegen trainieren unsere kinder vom vorschulalter an, sich in virtuellen welten zurechtzufinden, haben aber immer weniger zeit für eine personale begegnung mit ihnen. was ist dann ein spirituelles leben? es ist ein leben, das immer die tiefere, die intensivere empfindung sucht. die inten- sität des fühlens ist nicht nur der indikator geistlichen wachstums, es ist der verläss- lichste weg zur realität. wer einmal in das schweigen der meditation gegangen ist, der kennt die empfindsamkeit des spürens, die aus der achtsamkeit wächst. vielleicht bot keine epoche zuvor dem menschen so viele möglichkeiten, sich in seelenlose, vor- dergründige beinahe-realitäten zu verlieren. unser leben ist oft ein haschen nach wind und luftgespinst (koh 1,14). für einen von mir hochgeschätzten philosophen, alfred n. whitehead, ist subjektive erfahrung die tiefste realität. deshalb ist gott für ihn nicht einfach nur der, der alles weiß, sondern der, der alles erlebt, alles miterlebt. gott ist ge- rade darum realer als alles andere. gott ist nicht virtuell. gott ist der tiefste ursprung von allem, was wirklich ist. deshalb: gehen sie den pfad des tieferen empfindens, er führt sie ohne umwege zu gott. prof. dr. godehard brüntrup sj münchen aus: jesuiten 2012/4 – virtuelle welten, s. 22-23. e t u e h d n u n r e t s e g – e z t ä h c s 39 öcd 6.2021