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DaheimSein2015_web

SEITE 97 ner Plattenbausiedlung in Leinefelde/ Thüringen durch Forster und Schnorr Architekten aus Frankfurt/ Main als auch in dem Erhalt leer stehender Häuser durch kreative und engagierte Nutzer, den „Wächterhäusern“ in Lei- pzig. „Viel Geld für wenig Fläche“ oder der „Luxus der Fläche“ werden zu He- rausforderungen einer Zeit, in der das Überangebot von Fläche auch kreativ genutzt werden kann. Können wir Planer nur Wachstum? Die Zeiten, in denen es Architekten und Städtebauern bestimmt war, alles neu zu bauen, sind vorbei. Mehr denn je geht es auch darum, Bestände zu ak- zeptieren und neu zu interpretieren. Es geht um einen intelligenten Um- gang mit der bestehenden Stadt. Und für uns Lehrende an den Hochschulen geht es auch darum, bei den Studie- renden jene Leidenschaft, das nötige Feingefühl, die erforderliche Krea- tivität zu wecken und den Anspruch zu definieren, den man bislang immer dem „Neuen“ entgegengebracht hat. Der Vitruv´sche Grundsatz nach der Solidität des Bauens erhält dabei eine neue Bedeutung. Es geht um die Thematisierung der Langlebigkeit von Architektur und der Nachhaltigkeit von Stadt, es geht um die Flexibilisierung durch Mehr- fach- und Mehrzwecknutzungen von Gebäuden, Räumen und Ressourcen. Und letztlich geht es auch darum, bei aller inhaltlicher Tiefe, Ernsthaftigkeit und notwendiger Umsicht den spiele- rischen Umgang mit der vorhandenen Stadt nicht zu verlieren. Denn über das Spielerische entsteht oftmals die notwendige Kreativität zur Entwick- lung unkonventioneller und wegwei- sender Lösungen. Mein Haus, mein Pool, mein Auto! Die eigenen vier Wände, das eigene Haus, gilt noch immer als wichtiges Statussymbol. In der Konsequenz die- ses „Ideals“ wachsen unsere Städte und Dörfer schier unaufhörlich in die Fläche hinein. Trotz des Rückgangs der Bedarfsträger bleibt der Ressour- cenverbrauch annähernd konstant und führt zu einem weiteren Ver- lust stadtnaher Erholungs- und Aus- gleichsräume, zu einer ständig wachs- endenAutoabhängigkeitundzusozialen Disparitäten. Eine fatale Entwicklung. Zumal es offensichtlich ist, dass die eingangs beschriebenen Schrumpfungsprozes- se künftig auch wesentliche Teile der Randzone betreffen werden. Denn das dort zum Ausdruck gebrachte Lebens- gefühl des „Wohnen in Grünen“ hat für viele oftmals nur eine begrenzte Halb- wertszeit. Es hat zudem einen Typus von Immobilie hervorgebracht, für den es vielfach keine Nachfolgenutzer mehr geben wird. Vielleicht zwingt uns dies dazu, bei künftigen Bauge- nehmigungen auch gleich eine Abris- sverpflichtung, zumindest jedoch ein „Recylingzertifikat“ mit einzufordern. Eine Diskussion darüber könnte sich lohnen – und wenn sie auch nur dazu dient, das Bewusstsein um die Folgen eines weiteren Flächenverbrauchs zu schärfen. Insgesamt: Architektur und Stadt unterliegen einem ständigen Wandel, der auch im gebauten Raum seinen Ausdruck findet. Unsere „europäische Stadt“ ist und bleibt Ort kontinuierlicher Transfor- mationen: in ökonomischen, kulturel- len und sozialen Systemen ebenso wie in den baulichen Beständen und der Infrastrukturen. Bauliche Strukturen auf die Ewigkeit „zu trimmen“ und zu zementieren würde bedeuten, der Stadt die Zukunft zu nehmen. Anpas- sungsfähigkeit und Regenerationsfä- higkeit geben ständig Raum für neue Entwicklungen – vorausgesetzt, sol- che Prozesse werden mit großer Um- sicht und Verantwortungsbereitschaft initiiert und realisiert. Rudolf Scheuvens, TU Wien, Fachbereich Örtliche Raumplanung Umbau einer Plattensiedlung in Leinefelde. Stefan Forster Archi- tekten, Frankfurt/Main

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