s r u k x E Ungersheim – die etwas andere Gemeinde Ende August organisierte die AGRIDEA eine Studienreise nach Ungersheim im Elsass. Ei- gentlich eine normale, kleine Gemeinde mit rund 2000 Einwohnern, unweit der Schweizer Grenze. Mit Betonung auf «eigentlich». Die Gemeinde hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Für Staunen sorgt vor allem ihr Ak- tionsplan mit 21 Zielen, die zu intellektueller Autonomie, energetischer Unabhängigkeit so- wie Ernährungssouveränität führen soll. Sara Widmer, AGRIDEA Während früher der Abbau von Kali einen Gross- teil der Bevölkerung beschäftigte, blieben nach der Stilllegung der Gruben in den 70er und 80er Jahren viele Arbeitslose und ausgelaugte Böden zurück. An diese schwierige Zeit erinnert heute nur noch eine eindrückliche Fabrikruine. Gemeindepräsident Jean Claude Mensch erzählte den Studienteilneh- menden vor Ort, was sich in den letzten Jahren al- les verändert hat und inwiefern sich die Gemeinde nach wie vor im Wandel befindet. Wer die Ge- schichte dahinter kennt, wundert sich nicht, dass Jean Claude Mensch seit 1989 von der Gemeinde ununterbrochen als Gemeindepräsident wieder ge- wählt wird. Er hat – zusammen mit weiteren Ge- meinderepräsentanten – den Aktionsplan in Bewe- gung gebracht. Um möglichst viele Arbeitsplätze zu schaffen, wurde beispielsweise auf Gemeindeland eine Gemüsegärtnerei erstellt, ergänzt mit von der Region finanzierten Beschäftigungsprogrammen. Mittlerweile gibt es auch einen Ort, um Gemüse und Früchte weiter zu verarbeiten bzw. um Lebens- mittel haltbar zu machen. Des Weiteren werden in einer Gemeinschaftsküche Mahlzeiten für Gemein- de und Schule zubereitet möglichst aus Gemeinde eigenen biologischen Lebensmitteln. Zudem steht heute auf einem Teil des ehemaligen Minengelän- des das Ecomusée d’Alsace ein Freiluftmuseum, in dem Kunst und Tradition aus dem Elsass gelebt werden kann. Partizipative Demokratie und Herzblut Jean Claude Mensch betonte, wie wichtig der Rückhalt der Bevölkerung ist. Im Sinne einer partizi- pativen Demokratie finden regelmässig Gemeinde- sitzungen statt. An diesen Veranstaltungen sind alle aufgerufen, ihre Ideen einzubringen. In separaten Ar- beitsgruppen werden diese diskutiert und anschlies- send verworfen oder weiter verfolgt. Auch bei der aktiven freiwilligen Mitarbeit darf der Gemeindepräsi- dent auf die Bevölkerung zählen. Beispielsweise beim Bau des neuen Kultur- und Begegnungszentrums, in dem sehr viel Herzblut der Bevölkerung steckt. Ein neues Projekt wird in Bälde auf der grossen Wiese neben der Turnhalle entstehen: ein Park, der als Be- gegnungszone dienen soll. Wie dieser genau ausse- hen soll, entscheiden die Anwohnerinnen und An- wohner. Damit nicht genug. Auf einer ehemaligen Mülldeponie stehen heute auf mehreren Hektaren Photovoltaikanlagen. Die darunter liegenden Flächen werden verschiedentlich als Depot, für Aktivitäten wie beispielsweise Bienenhaltung oder sogar als Büro- räumlichkeiten genutzt. Auch auf weiteren Gemein- de-Gebäuden wie Schulen, Mehrzweckhalle etc. sind Photovoltaikanlagen installiert. Insgesamt produziert Ungersheim heute 5,3 Megawatt Strom. Das ist mehr als die Hälfte des Gemeindebedarfs. Das Ziel für 2021 sind 9 Megawatt. Bereits heute wird das Schwimm- bad im Winter mittels Solarenergie aufgewärmt und beim ehemaligen Jagdhäuschen entstand eine Öko- siedlung mit sieben Wohnungen. Als wäre das nicht genug des Guten, hat die Gemeinde auch noch drei Pferde angeschafft. Die Vierbeiner ersetzen das Petrol und werden für verschiedene Zwecke eingesetzt: den Gemüseanbaubetrieb der Gemeinde (acht Hektaren), als «Schulbus» für die Kinder und für touristische Kut- schentouren. Ungersheim ist eine faszinierende Ge- meinde und hat bei den Studienteilnehmenden zu vielen guten Diskussionen geführt! Sie zeigt ganz klar auf, dass vieles möglich ist, wenn man gemeinsam an einem Strick zieht und den Mut hat, Bewegungen in Gang zu setzen und Ideen zu verwirklichen. Informationen: Reisetagebuch Studienreise Ungersheim Willkommen in Ungersheim Der Film «Worauf warten wir noch?» 9